Montag, 27. Juni 2016

Trauma Fehlgeburt

Jede dritte Schwangerschaft endet frühzeitig mit einem Abort. Die meisten dieser Fehlgeburten passieren in der 4. und 5. Schwangerschaftswoche und bleiben oft unbemerkt, da die Frauen denken, sie hätten eine verzögerte Regelblutung. Ca 18% verlieren ihr Baby in der 6. bis 8. Schwangerschaftswoche.

Heute möchte ich über meine Gefühle schreiben, die mich nach meinem Abort beschäftigten.

Ein paar Tage nachdem ich mit Blutungen im Krankenhaus und bei meinem Gynäkologen war, bekam ich die ernüchternde Nachricht per Telefon: die Schwangerschaft ist nicht mehr intakt. Frau N., Sie haben einen Abort. Ein stummes nicken. Dann legte ich auf. Glücklicherweise war mein tag vollgepackt mit Programm - Besuch, ein spätes Blockseminar - und so hatte ich keine Zeit zum Nachdenken. Keine Zeit zu trauern

Meine Gefühle holten mich erst am Abend ein, als Samuel endlich schlief und Niklas noch nicht zu Hause war. Erst fühlte ich mich leer. Wie eine Hülle, die nur noch aus sich selbst besteht. Ich starrte vor mich hin und hörte nur die Wanduhr in ihrem ewig stetigen Rhythmus ticken. Tick tack. Tick tack. Tick tack.
Dann der Schlüssel im Schloss. Niklas war zu Hause. Endlich. Er schloss mich in seine Arme, hielt mich ganz stumm, ganz fest. Dort fühlte ich mich geborgen. Und trotzdem leer. Dann traf es mich, wie eine Wand, ein Lastwagen, der mich einfach überfuhr und es brach aus mir heraus. Ich weinte und schluchzte in Niklas Armen. Und er saß einfach nur da und hielt mich. Genau das brauchte ich jetzt. In meinem Kopf herrschte ein einziges Durcheinander. Ich hatte doch gerade erst begriffen, dass ich ein zweites Kind erwartete und jetzt sollte das alles bereits vorbei sein? Einfach so? Ich dachte an all die schönen Dinge, die wir uns vorgestellt hatten und die wir nun nicht mehr erleben könnten. Nunja. Schon, aber eben nicht mit diesem Kind. Nicht so.
Als ich schließlich endlich einschlief, zusammengekauert, die Wangen nass und völlig erschöpft, war mein letzter Gedanke Samuel, für den ich jetzt stark sein musste. 

Die kommenden Tage packte ich mir möglichst voll, damit ich nicht ständig weinend zu hause sitzen konnte. Wie schon gesagt, die Welt dreht sich weiter und ich wollte vor allem für Samuel die Fassade aufrecht erhalten. Aber trotz allem verfiel ich in eine Art Depression. Ich schaffte es morgens kaum aus dem Bett, einzig Samuel motivierte mich, aufzustehen. Ich musste ja. Ich weinte 
viel. Meist kam die Tränenflut völlig unerwartet. Mal, weil ich das Gurkenglas nicht öffnen konnte, ein anderes mal, weil die Wäsche rumlag und wieder ein anderes mal, weil Samuel so süß lachte. Es war wirklich ätzend. Immer wieder ertappte ich mich auch dabei, wie ich ins Leere starrte. Schließlich kochte in mir eine Wut hoch. Ich war sauer. Warum wurde gerade uns dieses Glück verwehrt? Warum durften alle anderen glücklich sein? Warum durfte das Leben so ungerecht sein?

Ich weiß nicht warum, aber es wird besser. Man sagt, die Zeit heilt alle Wunden. Ja vielleicht tut sie das. Aber vergessen werde ich trotzdem nicht. Ich habe mit Freunden und anderen Betroffenen gesprochen. Meiner Trauer einen Raum geschaffen, meine Gefühle nicht hinter einer Mauer verschlossen, sondern sie mitgeteilt. Das hat geholfen.
Zum Abschied habe ich einen Brief geschrieben und den Schnuller mit dem Test zurück in die kleine Geschenkbox gesteckt. Alles zusammen hat nun einen schönen Platz bekommen. Vielleicht mag das kitschig klingen, aber mir hat es geholfen. Es hat geholfen, meine Trauer zu bewältigen. Ich glaube, dass es völlig legitim ist, in einer solchen Situation zu trauern, auch wenn die Schwangerschaft noch sehr am Anfang war. Aber man baut direkt eine emotionale Bindung auf und schwelgt in Tagträumereien. Da ist die Nachricht eines Aborts schwer zu verstehen und zu akzeptieren. 

Ich möchte mit meiner Geschichte kein Mitleid erhaschen oder mich profilieren. Aber ich wünsche mir, dass meine Gedanken wenigstens einer anderen Frau da draußen helfen, mit der selben Situation, wie ich sie hatte ein Stück weit besser fertig zu werden. Zu wissen, dass man nicht die einzige Frau ist, die sich so fühlt, tut gut. #ichhatteeinefehlgeburt

xoxo, Jasmin

2 Kommentare:

  1. Ich hatte zwei Fehlgeburten. Eine in der 11 Woche eine in der 12. Man konnte schon alles erkennen. Kleine Arme, Beinchen... Es hat eine ganze Weile gedauert, bis ich damit meinen 'Frieden ' finden konnte. Es passiert alles aus einem Grund. Auch wenn man das erst später erkennt. Bei der zweiten Fehlgeburt wurde eine Chromosomenanomalie festgestellt. Eine sogenannte Triploidie. Ich habe mich genauer damit beschäftigt und bin zu dem Schluss gekommen, das es schon 'OK'war, das es das Schicksal so mit mir meinte.

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  2. Ich hatte zwei Fehlgeburten. Eine in der 11 Woche eine in der 12. Man konnte schon alles erkennen. Kleine Arme, Beinchen... Es hat eine ganze Weile gedauert, bis ich damit meinen 'Frieden ' finden konnte. Es passiert alles aus einem Grund. Auch wenn man das erst später erkennt. Bei der zweiten Fehlgeburt wurde eine Chromosomenanomalie festgestellt. Eine sogenannte Triploidie. Ich habe mich genauer damit beschäftigt und bin zu dem Schluss gekommen, das es schon 'OK'war, das es das Schicksal so mit mir meinte.

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